Bildung des Präsensstamms
Viele Verben verwenden den einfachen Verbstamm um den Präsensstamm² zu bilden, wie beispielsweise dīcere, amāre, monēre und audīre. Andere wiederum verändern den Wortstamm um die Präsensform zu bilden und zwar so:
- Indem Vokale (ā, ē oder ī) angehängt werden:
Infinitiv |
Präsensstamm |
Verbstamm |
juvāre, |
juvā- |
juv-. |
augēre, |
augē- |
aug-. |
vincīre, |
vincī- |
vinc-. |
- Indem ein i angehängt wird, wie beispielsweise bei capiō (Präsensstamm: capi-, Verbstamm: cap-)
- Indem ein n (m bei Wörtern mit p, b, ph) vor den letzten Konsonanten angefügt wird, wie beispielsweise bei fundō (Stamm fud-) und rumpō (Stamm rup-).
- Indem ein n an den Wortstamm angehängt wird, wie bei cern-ō, pell-ō (anstatt pel-nō).
- Indem ein t an den Wortstamm angehängt wird, wie bei flect-ō.
- Indem ein sc an den Wortstamm angehängt wird, wie bei crēsc-ō und scīsc-ō.
- Durch Verdopplung, also indem der ursprüngliche Konsonant des Verbstamms mit einem i angehängt wird, wie bei gi-gn-ō (Stamm gen-) und si-st-ō (Stamm sta-).
Bildung des Perfektstamms
Der Perfektstamm wird gebildet indem
- Indem ein v angehängt wird (bei vokalischen Stämmen), wie bei amāv-ī, dēlēv-ī und audīv-ī.
- Indem ein u angehängt wird (bei manchen konsonantischen Stämmen), wie bei strepu-ī, genu-ī und alu-ī.
- Indem ein s angehängt wird (bei den meisten konsonantischen Stämmen), wie bei
1. Person Singular Präsens Aktiv |
1. Person Singular Perfekt Aktiv |
carp-ō, |
carps-ī. |
scrīb-ō, |
scrīps-ī (anstatt scrīb-sī). |
rīd-eō, |
rīs-ī ( anstatt rīd-sī). |
sent-iō, |
sēns-ī ( anstatt sent-sī). |
dīc-ō, |
dīx-ī (also dīc-sī). |
- Ohne dass etwas zum Wortstamm hinzugefügt wird. Hier gibt es drei verschiedene Arten von Verben, die dieses Kriterium erfüllen
- Der Wortstamm wird versoppelt indem der ursprüngliche Konsonant mit dem darauffolgenden Vokal (oder einem e) vorangestellt wird:
- currō wird zu cu-currī
- poscō wird zu po-poscī
- pellō wird zu pe-pulī
- Zusammengesetzte Wörter, außer dō, stō, sistō, discō und poscō, haben keine Verdopplung. Daher: com–pulī, aber re-poposcī.
- Verben, die mit sp- oder st- anfangen, behalten beide Konsonanten bei der Verdopplung, aber das s entfällt im Wortstamm, wie beispielsweise bei spondeō, spo-pondī; stō, stetī.
- Der kurze Vokal des Stamm wird verlängert, wie bei legō, lēgī; agō, ēgī. Dabei wird aus einem ă ein ē.
- Der Vokal des Stamm bleibt unverändert, wie bei vertō, vertī; minuō, minuī.
Bildung des passiven Perfektstamms (Partizipstamm)
Das Partizip Perfekt Passiv (PPP), von dem der Perfektstamm hergeleitet wird indem die Endung entfernt wird (-us, -um, -a beim Nominativ Singular), wird gebildet indem:
- -tus angehängt wird (manchmal an den Präsensstamm, manchmal an den Verbstamm). Dabei wird ein g vor einem t zu einem c und ein b wird zu einem p. dt und tt werden zu ss, welches oft einfach zu s weiter reduziert wird:
Infinitiv |
Partizip |
amā-re, |
amā-tus. |
dēlē-re, |
dēlē-tus, |
audī-re, |
audī-tus, |
leg-ere, |
lēc-tus, |
scrīb-ere, |
scrīp-tus, |
sentī-re, |
sēn-sus (anstatt sent-tus). |
caed-ere, |
cae-sus (anstatt caed-tus). |
- Analog zu den Partizipien sēnsus (sentire) und caesus (caedere), wo -sus durch phonetische Veränderungen auftritt, wird auch bei anderen Verben -sus statt -tus gebildet.
Präsens Infinitiv |
Partizip |
lāb-ī, |
lāp-sus. |
fīg-ere, |
fī-xus. |
- Die selbe konsonantische Veränderung tritt auch bei Stämmen, bei denen der Perfekt auf -si endet, auf.
- Einige wenige Verben bilden ihr Partizip auf -ĭtus, wie beispielsweise
- domā-re zu dom-ĭtus
- monē-re zu mon-ĭtus
- Das Partizip Futur Aktiv ist in der Regel identisch mit PPP, wie amā-tus, amātūrus; moni-tus, monitūrus – allerdings gibt es auch folgende Ausnahmen:
Infinitiv Präsens |
PPP |
Partizip Futur Aktiv |
juvā-re, |
jūtus, |
juvātūrus. |
lavā-re, |
lautus, |
lavātūrus. |
par-ere, |
partus, |
paritūrus. |
ru-ere, |
rutus, |
ruitūrus. |
secă-re, |
sectus, |
secātūrus. |
fru-ĭ, |
frūctus, |
fruitūrus. |
mor-ī, |
mortuus, |
moritūrus. |
orī-rī, |
ortus, |
oritūrus. |
² Streng genommen endet der Präsensstamm immer entweder auf ĕ oder ŏ (einem sogenannten Themavokal), wie beispielsweise bei dīc-ĕ- und dīc-ŏ- sowie amā-ĕ- und amā-ŏ-. Allerdings sind diese Veränderungen auch wieder eine Wissenschaft für sich und werden hier deshalb nur oberflächlich behandelt.